
 
Das letzte Geleit
Christiane Fux
Eine Leiche ist für Theo Matthies nichts Besonderes – immerhin ist er Bestatter. Doch der Tod der alten Anna, die erfroren am Elbstrand lag, weckt sein Misstrauen. Als die Polizei den Fall abschließt, ermittelt der studierte Mediziner selbst. Dabei stößt er auf ein schreckliches Verbrechen, das im Zweiten Weltkrieg geschah – und auf einen Mörder, der offiziell seit Jahrzehnten tot ist.Verlag: Piper
 
In einem Satz: »Kurzweiliger Krimi um einen ermittelnden Bestatter im oft übersehenen Stadtteil Wilhelmsburg, der trotz schwerem Thema nie wirklich in die Tiefe geht.«
Das letzte Geleit ist der erste Band der bislang vierteiligen, zwischen 2012 und 2016 erschienenen Krimireihe um den Wilhelmsburger Bestatter Theo Matthies.
Den Inhalt dieses Romans möchte ich nicht zusammenfassen, aus Protest. Der Klappentext dieses Buches, obwohl sehr kurz, schafft es doch tatsächlich, den Plot samt Motiv jedem halbwegs erfahrenen Krimileser zu verraten. Ganz nach dem Motto, wer noch Einzelheiten erfahren möchte und gerade Zeit hat, kann auch noch den Roman lesen. Das bringt mich auch schon zu meinem Hauptkritikpunkt. Der Krimi ist viel zu einfach gestrickt, manchmal denkt man sich, er sei bloß hinzugefügt worden, um der liebenswerten Gruppe von Protagonisten eine Aufgabe zu geben und für ein Abenteuer zu sorgen. Überhaupt ist die Stimmung für meinen Geschmack ein wenig zu heiter für das gewählte Thema der Euthanasie Unerwünschter im dritten Reich, und auch die Sprache vermag dem Text keine Schwere zu verleihen. Sie ist rund und flüssig wie in einem gut geschriebenen Jugendbuch, was handwerklich sehr gut und keine Selbstverständlichkeit ist, aber bei dieser Geschichte ist es womöglich nicht besonders hilfreich. Einzelne, geschliffene, richtig starke Sätze, die man nicht so schnell vergisst, können aus einem gut geschriebenen Text Literatur machen, aber in diesem Buch sucht man nach solchen Perlen vergebens. Manche würden wahrscheinlich einwenden, es handle sich eben um Unterhaltungsliteratur, und dem würde ich im Großen und Ganzen zustimmen, und weil ich auch das für eine Kunstform halte, gebe ich dem Roman vier Punkte.
Fazit: Wer nach leichter, flüssig geschriebener Krimiunterhaltung mit viel Wilhelmsburger Lokalkolorit sucht, wird nicht enttäuscht. Ich werde das nächste Buch in der Reihe nicht kaufen, aber sollte es mir irgendwann zufällig in die Hände geraten, wäre ich einer Lektüre nicht abgeneigt.


In einem Satz: »Solider Krimi um einen Bestatter mit kriminalistischen Ambitionen, der weder Neuland erschließt noch tief in seine Figuren blickt, aber dennoch äußerst unterhaltend ist.«
Das letzte Geleit ist die Art von Buch, die ich als Lesefutter bezeichnen würde. Die Sprache ist so etwas von unauffällig, dass man sie gar nicht bemerkt, und das macht das Eintauchen in die Welt des Bestatters, Arztes und Hobbydetektivs Theo Matthies so richtig leicht. Sogleich ist man mitten in der Geschichte, und wer nicht diszipliniert die Nachttischlampe ausmacht, hat das Buch schon bald unversehens ausgelesen. Die Geschichte hat mich nie groß berührt oder zum Denken angeregt, es gibt keine geistreichen Zeilen, die man in intellektueller Runde zitieren möchte, und die vom eher seichten Kriminalfall erzeugte Spannung lässt keine Nackenhaare zu Berge stehen. Dennoch ist der Roman nie langweilig, man liest einfach weiter, und schon ist man am ebenso unspektakulären Ende angelangt. Dass das Ganze in Wilhelmsburg angesiedelt ist, macht den Roman für mich interessanter, da ich aufgrund familiärer Bezüge Jugenderinnerungen an diesen selten als Kulisse verwendeten Stadtteil habe.
Fazit: Leicht verdauliches Lesefutter, ganz besonders für Leser und Leserinnen mit Bezug zu Wilhelmsburg. Ich werde den Rest der Serie lesen.


In einem Satz: »Eine bunte Truppe symphatischer Amateurdetektive um einen fachkundigen Bestatter ermittelt, wo die Polizei versagt, und das macht Spaß.«
In diesem Krimi ermittelt Theo Matthies, Arzt und Bestatter, tätig im familieneigenen Bestattungsunternehmen in Hamburg-Wilhelmsburg. An einer Leiche entdeckt er etwas Ungewöhnliches, doch die Behörden schließen den Fall dennoch ab, und so fängt für den sympathischen Protagonisten die Detektivarbeit an. Unterstützt wird er dabei von einer zusammengewürfelten Truppe ebenso sympathischer Figuren, darunter auch eine Kommissarin, weil es ohne die Möglichkeiten der Polizei, wie wir von so mancher Privatdetektivgeschichte wissen, eben doch viel schwerer ist. Der Fall ist nicht kompliziert, sodass kaum kriminalistische Spannung aufkommen mag, aber das Buch ist dennoch unterhaltend. Nicht ganz nachvollziehen kann ich die Wahl des Themas Naziverbrechen. Zu dieser Ermittlergruppe würde meiner Meinung nach ein weniger dunkler, vielleicht geheimnisvollerer Fall besser passen.
Nun zu meinem kleinen Kritikpunkt. Es gab mal eine Zeit, in der in Filmen, Fernsehserien und Büchern eine naive Vorstellung einer heilen Multikultigesellschaft zelebriert wurde. Dass in dieser wundervollen Welt die "Fremden" allesamt bis auf leckere Speisen und amüsante kleine Schrullen ihre eigene Kultur weitgehend abgelegt hatten und zu Einheimischen und somit Mitgliedern einer wiederum homogenen Gesellschaft geworden waren, wurde dabei wahlweise übersehen oder ignoriert. In diesem Buch ist dieses tröstliche Konzept noch nicht ganz vergessen. Das ist nicht weiter schlimm, Unterhaltung ist auch Wunscherfüllung, Leser und Leserinnen dürfen sich während und nach der Lektüre eines Buches auch mal gut fühlen. Mir persönlich ist das bei Das letzte Geleit leider nicht uneingeschränkt gelungen, nicht zuletzt des dunklen Themas wegen, das dem Verbrechen zugrunde liegt und gewissermaßen immer wieder das Abtauchen in die heilere Welt der Figuren stört.
Dieser Roman fällt für mich ganz klar in den Bereich Unterhaltung, und darüber freue ich mich, das finde ich richtig gut, denn wie leider so viele Bücher beweisen, ist es alles andere als leicht, einen flüssig zu lesenden, unterhaltsamen Roman zu schreiben, und nun haben wir sogar eine ganze Reihe, die auch noch in Hamburg spielt? Das allein verdient drei Punkte, aber weil ich Das letzte Geleit mit kleinen Vorbehalten für in sich schlüssig und gelungen halte, gibt es von mir vier Punkte. Ich hoffe, dass die Autorin die Reihe fortsetzt, und ich werde die weiteren Bücher früher oder später bestimmt auch noch lesen.
Fazit: Gute Unterhaltung zwischen Norder- und Süderelbe. Was will man mehr?


In einem Satz: »Eher seichter Krimi, der dem überraschend anspruchsvollen Hintergrund des Falles nicht gerecht wird.«
Ich mag Krimis, aber mit diesem Buch konnte ich mich nicht richtig anfreunden. Irgendwie kommt mir alles unecht vor, Figuren ohne viel Tiefgang, ein Hinweis führt zum nächsten, man spürt die lenkende Hand der Autorin bei jeder Wendung. Ich muss gestehen, dass ich Wilhelmsburg, wo dieser Krimi spielt, überhaupt nicht kenne. Ich könnte mir vorstellen, dass die Welt der Protagonisten sehr viel realer wirkt, wenn man mit dieser Gegend vertraut ist.
Auch nicht so überzeugt hat mich der Kriminalfall. Er ist als Rätsel zum Mitgrübeln nicht interessant genug, und zugleich wird das schwere Thema Euthanasie im Nationalsozialismus aufgegriffen, das dann nicht annähernd angemessen behandelt werden kann. Wie wäre es, wenn Theo und seine Crew mal die Fährte vom Werwolf von Wilhelmsburg aufnehmen würden?
Obwohl mich das Buch insgesamt nicht gepackt hat, möchte ich doch unbedingt etwas erwähnen, das mir richtig gut gefallen hat. Fast jeder moderne Krimi, und nicht nur solche aus Deutschland, wird bevölkert von kaputten, gebrochenen Charakteren. Was soll das? Selbst in der alles andere als perfekten realen Welt trifft man nicht auf eine so hohe Dichte deprimierender, angeknackster, verlorener Menschen! In Das letzte Geleit ist dies endlich mal anders. Hier kommen eine ganze Reihe normaler Menschen vor, wie man sie im echten Leben auch in Hamburg öfter antrifft. Danke dafür!
Fazit: Nicht mein Fall, aber ich kann nachvollziehen, dass man das Buch mögen kann, und für Menschen aus Wilhelmsburg wahrscheinlich fast Pflicht.