
 
Trümmerkind
Mechtild Borrmann
Der 14jährige Hanno Dietz kämpft mit seiner Familie im zerstörten Hamburg der Nachkriegsjahre ums Überleben. Viele Monate ist es bitterkalt, Deutschland erlebt den Jahrhundertwinter 1946/47. Eines Tages entdeckt Hanno in den Trümmern eine nackte Tote - und etwas abseits einen etwa dreijährigen Jungen. Der Kleine wächst bei den Dietzens in Hamburg auf. Monatelang spricht der Junge kein Wort. Und auch Hanno erzählt niemandem von seiner grauenhaften Entdeckung. Doch das Bild der toten Frau inmitten der Trümmer verfolgt ihn in seinen Träumen. Erst viele Jahre später wird das einstige Trümmerkind durch Zufall einem Verbrechen auf die Spur kommen, das auf fatale Weise mit der Geschichte seiner Familie verknüpft ist …Verlag: Droemer
 
In einem Satz: »Von den Hamburger Trümmermorden inspirierte Familiengeschichte mit Krimielementen, erzählt in gepflegter, unaufgeregter Sprache.«
Nach dem Krieg stößt eine Familie ohne Vater in den Ruinen von Hamburg auf die nackte Leiche einer Frau und findet außerdem einen traumatisierten kleinen Jungen. Dieser wird in die Familie aufgenommen, und so fängt alles an. Trümmerkind ist ein historischer Kriminalroman, inspiriert von den Hamburger Trümmermorden. Der Hintergrund ist real und scheint gut recherchiert, die Figuren und ihre Geschichte sind Fiktion. Eigentlich mag ich so angelegte Romane nicht besonders, doch Trümmerkind hat mich dennoch überzeugt. Es fängt schon mit der Sprache an. Sie ist frei von blumigen Ausschweifungen, beinahe sachlich, und doch wirkt sie nie anspruchslos oder gar langweilig. Diese Art von Sprache macht es dem Leser beziehungsweise der Leserin leicht, sich auf die Geschichte zu konzentrieren. So zu erzählen ist schriftstellerisches Handwerk, eine Kunst, die leider längst nicht alle Autoren und Autorinnen beherrschen.
Die Geschichte selbst ist berührend und stellenweise durchaus auch spannend, für mich sind die Szenen in den Trümmern der Nachkriegszeit jedoch am eindrücklichsten. Irgendwie gelingt es der Autorin, mehr als bloß Elend und Leid zu vermitteln. Stimmungen und Gefühlswelten werden zum Leben erweckt, oft durch scheinbar unbedeutende Nebensächlichkeiten. Diese Autorin kann schreiben.
Dass Hamburg und seine Geschichte in diesem Buch eine große Rolle spielen, liegt nahe, und somit passt der Roman sehr gut in unsere kleine Bibliothek.
Fazit: Für Menschen, die sich für Literatur, Geschichte und Hamburg interessieren, ist Trümmerkind eine absolute Leseempfehlung.


In einem Satz: »Berührender Familienroman, in dem das Hamburg der Nachkriegszeit zum Leben erwacht.«
Dieses Buch wird oft mit Der Trümmermörder von Cay Rademacher verglichen, und in mehreren Rezensionen wird moniert, die Autorin habe sich zu sehr von Rademachers sechs Jahre zuvor erschienenem Roman inspirieren lassen. Ich kenne nun beide Bücher und finde nicht, dass sie sich wirklich ähnlich sind. Der Trümmermörder ist ein Krimi, Trümmerkind ist eher ein Buch über Menschen und ihre Stärken und Schwächen, über Verzweiflung und Hoffnung, über Leid und Erlösung. Es ist eine andere, eigenständige Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Für mich hat Trümmerkind weniger Unterhaltungswert, aber mehr Tiefgang als Der Trümmermörder.
Hamburg nimmt in dem Buch viel Platz ein, und besonders in der Nachkriegszeit kommt einem die Stadt unglaublich echt und real vor. Ob das daran liegt, dass die Autorin so gut recherchiert hat, oder Hamburg in Trümmern einfach gut erfunden und beschrieben wird, kann ich nicht beurteilen, aber gelungen ist es definitiv. Das ist Literatur.
Fazit: Eine bewegende Erzählung, verwurzelt in der langen, vielschichtigen Geschichte Hamburgs, nie langweilig, sehr gut geschrieben, für mich eine uneingeschränkte Leseempfehlung.


In einem Satz: »Gut geschriebener, mit Krimielementen angereicherter Familienroman, dem es auf eindrucksvolle Weise gelingt, das Hamburg der Nachkriegszeit zum Leben zu erwecken.«
Obwohl ich es eigentlich nicht mag, wenn eine Geschichte parallel auf mehreren Zeitebenen erzählt wird, habe ich dieses Buch sehr gern gelesen, was wahrscheinlich daran liegt, dass dieses literarische Mittel in Trümmerkind nicht dazu führt, dass man sich ständig anstrengen muss, um das gerade Gelesene richtig einzuordnen. Der Text liest sich leicht und bleibt immer verständlich. Das bringt mich zur Sprache, die ein Lob verdient. Manchmal stolpert man fortwährend über die Sprache eines Buches, manchmal verliebt man sich in ihre Schönheit, doch hier könnten die meisten Leser und Leserinnen sich nach der Lektüre, so glaube ich, nicht an bestimmte sprachliche Eigenschaften und Auffälligkeiten erinnern. Ist das schlecht? Ist die Sprache langweilig neutral oder gar einfallslos? Ganz im Gegenteil, sie ist richtig gut, aber sie drängt sich nicht in den Vordergrund und steht dem Eintauchen in die Welt des Romans nicht im Weg, und eine schwere Geschichte wie diese braucht genau das.
Über die Geschichte möchte ich gar nicht viel verraten. Sie wurzelt in den Hamburger Trümmermorden, ist jedoch frei erfunden. Richtig stark sind die Beschreibungen vom Hamburg der Nachkriegszeit, etwas weniger fesselnd sind die Geschehnisse in den Neunzigerjahren, aber insgesamt bewegt sich das Buch auf hohem literarischen Niveau.
Fazit: Wer vorallem einen historischen Krimi erwartet, könnte womöglich enttäuscht sein, für alle anderen eine Leseempfehlung, ganz besonders für Menschen, die in dieser Stadt der tausend Gespenster leben.


In einem Satz: »Sprachlich hochwertiger historischer Roman, der berührt und zum Denken anregt.«
Gleich zu Beginn entführt Trümmerkind den Leser und die Leserin in die Ruinen von Hamburg nach dem Krieg, und das gelingt richtig gut. Nach wenigen Seiten waren Kälte und Hunger für mich fast greifbar. Diesem Buch ist es gelungen, mich das Leben der Menschen in den Trümmern spüren zu lassen, obwohl ich nie etwas Vergleichbares erlebt habe. Allein dafür hat es sich für mich gelohnt, dieses Buch zu lesen.
Trümmerkind wird auch als Krimi beworben, aber meinem Empfinden nach stehen anderen Dinge im Vordergrund. Es ist ein Buch über Menschen und all die guten und schlimmen Dinge, die sie zu tun imstande sind. Der Bezug der Geschichte zu Hamburg ist groß, obwohl natürlich auch andere Städte in Trümmern lagen.
Dieser Roman ist für mich nahe an dem, was ich als anspruchsvolle Belletristik bezeichnen würde. Der Text ist spannend und unterhaltsam, aber dennoch auch tiefgründig und anrührend, und weil mein Horizont sich durch die Lektüre erweitert hat, würde ich sogar das Wort bildend hinzufügen.
Fazit: Ein literarisch und inhaltlich anspruchsvolles Buch, das eine Leseempfehlung verdient, nicht nur für Menschen aus Hamburg.