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COVER REVOLVERHERZ

Revolverherz

Simone Buchholz

Hamburg, ein nebliger März, an der Elbe liegen tote Stripperinnen. Wer hat die jungen Frauen auf dem Gewissen? Warum wurden sie skalpiert? Was sollen die Perücken? Staatsanwältin Chastity Riley ist zuständig für Verbrechen, die sich rund ums Rotlichtviertel abspielen, wobei ihr das Rotlicht mehr liegt als das Verbrechen. Obwohl: Ihre Stärke ist es, zu denken wie eine Kriminelle. Ihre Schwäche sind Kneipen, Zigaretten, junge Männer und schummriges Licht. Sie kommt in ihren Stiefeln und dem Trenchcoat cooler daher, als sie ist, außen hart, innen zart, manchmal fast eine kritische Masse an Empathie – hätte Philip Marlowe eine Enkelin, vielleicht wäre sie es. Jetzt muss sie durch einen langen, grauen Tunnel, der immer dunkler wird.

Verlag: Suhrkamp
 

LOGO ANNA 3/5


In einem Satz: »Unspektakulärer Krimi, der versucht, drei Dinge zugleich zu sein, was leider nicht gelingt.«



Revolverherz ist der erste Band der bislang zehnteiligen, zwischen 2008 und 2021 erschienenen Krimireihe um die Hamburger Staatsanwältin Chastity Riley.
Wenn im Klappentext gemutmaßt wird, die Protagonistin könnte die Nachfolgerin von Philip Marlowe sein, muss ein Buch hohen Anforderungen genügen. Dies gelingt hier leider nicht. Mit den hardboiled Klassikern von Raymond Chandler, Dashiell Hammett und James M. Cain hat Revolverherz wenig gemein. Hier fehlen ganz einfach Ernsthaftigkeit und Tiefgang, und die Protagonistin Chastity Riley eignet sich denkbar schlecht, um in die Fußstapfen von Marlowe zu treten. Als Staatsanwältin ist sie Teil des Systems, ausgestattet mit Befugnissen und Möglichkeiten, die jene Art von subversiver Gesellschaftskritik, welche die Bücher der amerikanischen Vorbilder durchzieht, bestenfalls schwer, meist gar unglaubwürdig machen. Ein echtes Problem stellt diese Einschränkung in diesem Roman allerdings nicht dar, denn die Autorin versucht sich gar nicht erst daran. Umso schwerer nachvollziehbar erscheint die Erwähnung des großen Namens im Klappentext.
Der zweite Mantel, den die Protagonistin sich überzustreifen versucht, ist jener einer schnodderigen Hamburger Schnauze, aber auch das klappt nicht, dafür ist sie einfach nicht schlagfertig genug. Jede Menge Sprüche, keiner der richtig zündet und in Erinnerung bleibt. Obwohl dieses Buch sich fernab der Realität bewegt und auch keinen Anspruch darauf erhebt, ist vielleicht gerade dieser Aspekt realitätsnah, denn auch im echten Leben fallen den Menschen nicht annähernd so viele coole Sprüche ein wie den Helden in Büchern und Filmen. Leider ist das in diesem Buch wohl unfreiwillig so.
Zu guter Letzt will Revolverherz auch noch ein deutscher Fersehkrimi sein. Das funktioniert wahrscheinlich noch am besten, aber die anderen Aspekte kommen hier in die Quere, und die Geschichte und die Figuren sind dann doch wieder zu weit von der Realität entfernt.
Wer sich mit Chandler vergleicht, muss auch liefern, deshalb wollte ich eigentlich noch einen Punkt abziehen, aber der Klappentext wird vom Verlag geschrieben, und dafür soll nicht die Autorin beziehungsweise der Roman bestraft werden.
Fazit: Nichts für mich, aber mir ist klar, dass viele diese Reihe mögen, ein Buch kann eben nicht allen gefallen.



LOGO FINN 3/5


In einem Satz: »Etwas langatmiger Krimi ohne Höhepunkte, der sprachlich gerade so Lesefutteransprüchen genügt.«



Die verkaterte Hamburger Staatsanwältin Chastity Riley wird zum Fundort einer nackten Frauenleiche an der Elbe gerufen, deren blaue Perücke nur leidlich zu verbergen vermag, dass sie nicht nur erwürgt, sondern auch noch skalpiert wurde. So fängt dieser Roman an. Wer sich davon angesprochen fühlt, sollte sich dieses Buch vielleicht genauer ansehen. Wer dabei sogleich an Schundliteratur denkt, gehört wahrscheinlich nicht zur Zielgruppe, wie ich selbst. Es gibt in dem Text jedoch auch immer wieder einzelne Sätze, die nicht wirklich große Literatur, aber eben auch nicht bloß Schund sind, deshalb tue ich mich etwas schwer mit Revolverherz.
In einer Kurzgeschichte (Umney's Last Case, 1993) hat Stephen King sich mal darin versucht, im hardboiled Stil zu schreiben, und wie gut ihm das gelungen ist, hat mich beeindruckt, als ich die Geschichte vor vielen Jahren zum ersten Mal gelesen habe. Diese kleine Fingerübung oder wahlweise Angeberei des amerikanischen Vielschreibers machte mir auf eindrückliche Weise klar, dass man gar keine interessante Geschichte braucht, wenn Sprache und Stil dermaßen perfektioniert sind. Um Missverständnissen vorzubeugen sollte ich an diese Stelle erwähnen, dass Kings Kurzgeschichte durchaus eine interessante Idee zugrunde liegt, doch es ist eben ein modernes, philosophisches Gedankenspiel und keine eigentliche, klassische hardboiled Geschichte. Weshalb erwähne ich das? Weil genau diese sprachliche Qualität Revolverherz fehlt, und weil auch der Fall nichts Besonderes ist, bleibt nicht viel außer seichter Unterhaltung, die man gleich wieder vergisst. Ich gebe dem Buch dennoch drei Punkte, weil es nicht nervt, weil es nicht unterirdisch ist, es ist ganz einfach Lesefutter.
Hamburgs Seele hat sich nicht in dem Text verfangen, dieses Buch könnte in jeder Großstadt spielen.
Fazit: Für mich langweilig, der Erfolg beweist jedoch, dass diese Reihe für viele sehr wohl unterhaltend ist. Bücher sind eben Geschmackssache. Meine Empfehlung: Reinlesen.



LOGO ELIN 3/5


In einem Satz: »Belangloser Krimi ohne Spannungsbogen und Tiefgang, mit einer eher blassen Protagonistin, die wohl wie die Autorin selbst nicht recht zu wissen scheint, in welche Schablone sie denn nun passen soll.«


Direkt an der Elbe wird die nackte Leiche einer erwürgten Frau gefunden, was ja schon mal ein sehr ungewöhnlicher Anfang für einen Krimi darstellt. Das war Ironie. In Revolverherz gibt es keine Überraschungen, keine Geistesblitze, und was am allerschlimmsten ist, keine interessanten Figuren. Bis auf die Protagonistin erfüllen alle brav das ihnen zugewiesene Klischee. In diesem Sinne eignet sich dieses Buch unheimlich gut zur Entspannung, wer will schon von tiefgründigen Gedanken und unerwarteten Wendungen gestört werden, wenn er oder sie abends auf dem Sofa die Beine hochlegt. Ich habe keine Verwendung für Texte dieser Art. Wenn ich lese, möchte ich berührt und bewegt werden, vielleicht etwas lernen, gar neue Ideen in den Kopf gesetzt bekommen. Gleichzeitig verstehe und respektiere ich jedoch auch, dass man sich manchmal ganz einfach mit verlässlich vor sich hin plätschernder Unterhaltung in den Schlaf lesen möchte. Daran ist nichts auszusetzen, und deshalb bekommt Revolverherz von mir drei Punkte.
Was ich noch ansprechen möchte: Chastity könnte Philip Marlowes Enkelin sein, so vermutet der Klappentext. Die durch so vollmundige Versprechen geweckten Erwartungen kann dieses Buch in keinster Weise erfüllen. Etwas mehr Bescheidenheit beim Schreiben von Werbematerial, denn dieser Vergleich grenzt an Unverschämtheit.
Fazit: Seichte Unterhaltung für Freunde von Fernsehkrimis vergangener Jahrzehnte.



LOGO MAJA 1/5


In einem Satz: »Lahmer Krimi für Menschen, die nackte misshandelte Frauenleichen noch immer für richtig interessant halten.«



Dieses Buch hat einen geschwätzigen Klappentext, deshalb spare ich mir eine Zusammenfassung.
Wenn sich in einem Buch alles um eine erzählende Figur dreht, muss diese Figur richtig interessant sein. Man muss sie nicht unbedingt mögen, es könnte sich durchaus auch um einen ganz üblen Bösewicht handeln, aber langweilig darf sie nicht sein. Für mich ist das in Revolverherz leider so. Diese Frau ist so was von dröge, ein Abklatsch zahlloser Fernsehkrimihelden, die selbst schon nicht wirklich cool waren. Und nun wurde das Imitat auch noch vom gnadenlosen Zahn der Zeit zerkaut. Manche Dinge altern schlecht, Schlagsahne, 007-Filme, Staatsanwältinnen namens Chastity. Ich bin wohl einfach zu jung für dieses Buch.
Hamburg kommt vor, als Sammlung von Klischees.
Fazit: Ich mag dieses Buch nicht. Es ist wie Junkfood aus minderwertigen Zutaten, der nichts in meinem Kopf zu suchen hat.